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Chongqing
Von Xian nach Chongqing
Eines Morgens war Abfahrt in Richtung Chongqing. Zunächst wieder
in flachen Ebenen über den Gelben Fluss.
Den Gelben Fluss, der sich durch das mittlere China schlängelt, querten wir mehrfach.

Gelber Fluss
Nach dieser langen Fahrt über die Ebenen und hügeligen Landschaften, hielt plötzlich der Zug.

Terrassenlandschaften
Wir bemerkten, dass eine zweite Lok zum
Schieben angekoppelt wurde. Nicht ahnend was das bedeuten sollte, sagte
Djin während der Fahrt zu mir, dass wir einen Höhenzug überwinden
müssten. Wir hatten keine Vorstellung von dem was kommt.
Dazu muss ich geografisch etwas einfügen: von Kirgistan erstreckt
sich das
"Tian-Shan-Gebirge", dort bis über 7000 m hoch, bis nach
Mittelchina, wo es abflacht.
Der Zug fuhr sehr langsam bergauf. Nach einiger Zeit hatte ich das Gefühl,
wir würden immer um den gleichen Berg herum fahren. Djin kam zu mir
und meinte ich soll einmal zum Fenster hinausschauen, dies tat ich ohnehin,
bemerkte aber nicht, was unter meinen Augen geschah. Wir hatten einige
Tunnel durchfahren, ich sah nach unten und bemerkte dass wir einige Etagen
höher fuhren. Nach unten schauend sah ich bereits 4-5 Etagen mit
Gleisen und - wir hatten Glück – am Fuße des Berges fuhr
bereits ein anderer Zug die Höhe hinauf.
Dieser Anblick, nunmehr in einer Höhe von über 1000m, die unter
uns liegenden Etagen zu sehen war faszinierend und beeindruckend. Das
hatte ich so noch nie gesehen. Die Tunnel, die Gleise, von oben sah alles
aus wie in einem Spielzeugland. Das Gesehene realistisch zu schildern
ist kaum möglich, das muss man selber erlebt haben.
Auf dem Kamm, oder besser: auf dem Pass angekommen, hielt der Zug. Wir
hatten eine Höhe von über zweitausend Metern erreicht. Wenn
ich mich richtig erinnere, stand an der Seite eine Tafel mit der Höhenangabe.
Es waren 2022 Meter!
Der Pass im "Tian Shan" - Händler in 2000 Meter
Höhe
Was dann geschah, übertraf wieder alles was wir bis dahin erlebt
hatten.
Auf der Haltestation, es gab keinen Bahnhof, standen längst des Bahnsteiges
in einer Reihe, mindestens 40 - 50 Frauen, Kinder und Männer mit
Früchten vor ihren Füßen. Sie hatten diese auf Tüchern
ausgebreitet und einfach auf dem Boden ausgelegt. Gurken, Kürbisse,
Melonen jeglicher Art und Größe und andere exotische Früchte
die wir nicht kannten. Ich bin nicht sicher ob das als essbares Gemüse,
oder Obst bezeichnet werden kann. Bei wärmeren Temperaturen eine
erfrischend, gut schmeckende Frucht.
Von Djin ließ ich mir erklären was das bedeutet, dass die Menschen
hier stehen. Er sagte mir, nachdem er mit den Händlern, denn das
waren welche, gesprochen hatte, dass die Leute gehört hätten
es käme ein Zug mit Fremden aus Europa an dem und dem Tag auf dem
Pass an. In den Bergdörfern hätte sich das herumgesprochen und
viele sind tagelang über die Höhenzüge unter strapaziösen
Bedingungen gelaufen um ihre Waren anzubieten.
Wenn ich mich an diese Erklärung erinnere, schauert und erschüttert
es mich noch heute zutiefst. Menschen, die um ein wenig Ware zu verkaufen
tagelang unterwegs sind, unvorstellbar! Menschen, die Qualen, Leid und
mit Lasten, alles per Fuß und zum Teil über schneebedeckte
Höhen, auf sich genommen haben, nur um Europäer zu sehen? In
solche Situationen sich hinein zu versetzen ist kaum möglich.
Wir waren alle gut versorgt und litten keine Not! Als die Philharmoniker
wahrgenommen hatten was hier abläuft und aus welchem Grund die Menschen
da standen, stiegen alle aus dem Zug. Ab da begann von den Händlern
eine Art "Marktgeschrei", allerdings sehr verhalten, nicht aufdringlich,
nur werbend, um ihre Waren anzubieten und möglichst viel zu verkaufen.
Mit Händen und Füßen verständigten sich die Kollegen
mit den Händlern und kauften Früchte über Früchte.
Wir hatten ungefähr eine Stunde Aufenthalt, in der verlief alles
turbulent und zum Teil auch sehr lustig. Leider besitze ich kein Foto
von dieser seltsamen, eigenartigen Szenerie, die uns alle sehr bewegte
und unbegreiflich vorkam.
Menschen aus einer anderen Welt
Die Menschen, in ihrer einfachen, sicher traditionellen, ärmlich
wirkenden Kleidung erschienen mir wie aus einer anderen Welt. Nicht dass
es "zerlumpt" aussah, nein, man spürte eine gewohnte, aber
eigene Art von Bekleidung die mit einer Selbstverständlichkeit und
mit Würde getragen wurde. Gegensätze zwischen uns und diesen
wunderbaren Leuten eindeutig.
In solchen Momenten bedauert man, dass eine Verständigung, oder Unterhaltung
mit diesen Menschen nicht möglich ist. Selbst mein Djin hatte Schwierigkeiten
mit der Verständigung. Dazu muss ich bemerken, dass es in China Hunderte
von Volksgruppen, oder Volksstämmen gibt die ihre eigenen Sprachidiome
besitzen, die sich von unseren Dialekten unterscheiden.
Das zu verstehen muss man die Entfernungen in diesem riesigen Land versuchen
einzuschätzen. Allein die Strecke von Xian nach Chongqing hat eine
Länge wie die von Nord- nach Süddeutschland. Xian wird nebenbei
bemerkt mit einem "Accent aigu" geschrieben, also Xi'an. Ein
wahrhaft einmaliges Erlebnis auf dieser Reise.
Früchte kaufen
Selbstverständlich kaufte auch ich einige Früchte. Bei all diesem
Geschehen sah ich nur noch glückliche Gesichter von Menschen, vor
allem von Kindern. Solche Erlebnisse die man in einem fernen Land erlebt,
gehen nicht nur über unsere Vorstellungskraft hinaus, sondern berührten
einen zutiefst.
Glückliche, strahlende Kinder zu sehen ist außerdem etwas Besonderes.
Dieses Ereignis werden sie sicher ebenfalls in Erinnerung behalten haben.
Die Vorstellung, dass sie nichts von der Außenwelt wussten, noch
nie fremde Menschen erlebten, oder was in der Welt passiert, kann man
als Europäer schwer erfassen. Mit unserem Wissen das es auf der Welt
noch ganz andere Vorgänge gibt, ist es sehr schwer zu erfassen was
in diesen Menschen vorgeht, was sie empfinden und wie sie das erlebte
aufnehmen.
In solchen Momenten eröffnen sich Gedanken, Ideen und Gefühle,
dass man gewillt ist zu sagen die Welt muss sich grundsätzlich verändern!
Und sie muss sich verändern, wie wir heute wissen und immer schon
gewusst haben!
Als die Loks versorgt waren (ich nehme an, dass sie gewartet, das Wasserreservoir
aufgefüllt, sowie Treibstoff betankt wurde), alle wieder eingestiegen
waren, setzte sich der Zug langsam in Bewegung. Die Menschen winkten uns
begeistert zu, die Kinder rannten ein Stück mit und dann fuhr der
Zug auf der anderen Seite eines Berges wieder in einer ähnlichen
spiralförmigen Art in die Tiefe. Wie gesagt: solche Erlebnisse zu
schildern ist kaum möglich, die muss man einfach selber erleben.
Ankunft in Chongqing
In Chongqing angekommen stand auf dem Bahnhof ein Empfangskomitee.
Ich musste also wiederum den Chef abgeben. Prof. Bongartz war noch in
Xian mit den Solisten geblieben, um Liederabende zu veranstalten.

Ankunft in Chongqing (Tschungking)

Empfangskomitee
Zwischen mir und Oskar Sick, dem Verwaltungsdirektor, die örtlichen
Funktionäre. Auf dem zweiten Bild dann das Komitee mit mir. Die gleiche
Zeremonie, das gleiche Bild. Keiner wusste vom anderen wer er eigentlich
sei, was er ist, allenfalls, dass ich der Dirigent war.
Chongqing ist ebenso eine besondere Stadt, wie die anderen historischen
Städte in denen wir musizierten. Am Jangtsekiang gelegen, bot sie
ein faszinierendes Bild. Städte an Flüssen strahlen immer ihren
besonderen Reiz aus.
Nach neuesten Meldungen soll sie vom Territorium her die größte
Stadt der Welt sein. Möglicherweise hervorgerufen durch den "Drei
Schluchten Damm", dem größten Staudamm der Welt. Der Wasserspiegel
soll um 17 m angestiegen sein.
1959 konnten wir das weder beurteilen, noch wahrnehmen, es erschien uns
altertümlich. Die geplante Reisezeit reichte dann doch nicht, uns
die Stadt insgesamt anzusehen.
Interessant war, dass man mit einer Bergbahn in die obere Stadt gelangt.
Ein tolles Bauwerk!

Foto 1959: Bergbahn rechts im Bild

Bergbahn
neueren Datums
Die Eindrücke von Chongqing, nach dieser Bahnfahrt übertrafen
wiederum alles. Empfangsbankett mit 'zig Gängen, dazu Repräsentieren,
Austausch von Gedanken über Kunst, Kultur, Politik und dann der Besuch
der traditionellen Nationaloper.
Beim Besuch dieses Spektakels sagte Djin zu mir, die Besucher und die
Funktionäre würden sich sehr freuen wenn ich ein paar Worte
zum Publikum spreche. Zunächst überrascht und unerwartet beginnt
in so einer Situation das Gehirn zu arbeiten. Was sagt man? Wie sagt man
es? Was sollte man zum Ausdruck bringen? Auf was Bezug nehmen? usw.
Von der Seite auf die Bühne steigend, beglückwünschte ich
zunächst die Schauspieler und bedankte mich für die Vorstellung,
danach sprach ich zu den Besuchern. Der Saal war gefüllt bis auf
den letzten Platz. Wie soll ich das nun wiederum beschreiben? Zu Djin
sagte ich immer, ich werde nur kurze Sätze sagen, da kannst du das
wörtlich übersetzen. So auch an diesem Abend. Ein donnernder
Beifall umgab mich nach meinen ersten Worten, sie klatschten nach jedem
Satz hoch erfreut in die Hände. Nicht beschreibbar was da von statten
ging. Auf dem Bild sieht man zwischen mir und dem Funktionär, der
zufrieden strahlte, meinen Dolmetscher.

Auf der Bühne von Chongqing

Schauspieler beim Maskieren
Am 23.Oktober fuhren wir zum Konzertsaal. Kurz vor der Ankunft, sah ich
ein Riesenplakat:

Konzertplakat Dresdner Philharmonie – Dirigent
Siegfried Geissler
Djin fragte ich, da ich auf dem Plakat eine Klaviatur sah, was auf diesem
steht. Er sagte dass dies die Termine der Konzerte seien und auf dem Plakat
stünde "Dresdner Philharmonie" und mein Name in Chinesisch!
Eindeutig zu erkennen, das wir vom 23. -25.Oktober in Chongqing konzertierten.
Im Hintergrund der Konzertsaal. Alle diese Säle sahen eher aus wie
Tempel. Fassungsvermögen dieses Saales zwischen 3000 und 4000! Alle
Abende überfüllt. Ein begeistertes Publikum! Beifall über
Beifall!
Thermalbad mitten in China
Wenn der Chef dirigiert, dann bleibt für den zweiten Dirigenten Zeit
etwas zu unternehmen.
Djin meint an einem der Tage ob ich Lust hätte in ein nahegelegenes
Erholungsbad mit heißen Quellen zu fahren, es läge ca.15 km
hinter dem Jangtsekiang. Selbstverständlich! Oskar Sick, fragte ich:
"Oskar hast Du Lust mit zu fahren?" Er war sofort bereit. Mein
Wolga stand vor dem Hotel, einsteigen und ab die Fahrt. Was wir nicht
wussten wie die Überfahrt erfolgte. Am Jangtsekiang angekommen stiegen
wir zunächst aus um auf die Fähre zu warten.
Bei dem Wort Fähre läuft es mir noch heute eiskalt über
den Rücken. Dazu folgende Geschichte: Djin erzählte uns, dass
hier vor Wochen Mao tse Tung in den Fluss gesprungen und darüber
hinweg geschwommen sei. An der Elbe groß geworden, diese mehrmals
durchschwommen, am Rhein ebenfalls, konnte ich mir beim Anblick und bei
der Strömung dieses Flusses das kaum vorstellen. Für meine Begriffe
wird man bei einem Sprung ins Wasser von der Strömung sofort mindestens
10 m mitgerissen. Nun gut, wir glaubten ihm. Mao war ja der "Große
Führer" zu dieser Zeit.
Nun kommt aber wieder etwas anderes. Zu Djin sagte ich: "Wie breit
ist hier der Fluss und wie weit schätzt Du ist es bis an das andere
Ufer?" Er sagte lächelnd: "Drei Kilometer!"
Wer an Flüssen aufgewachsen ist kann in ungefähr die Breite
eines Flusses einschätzen. Für mich waren es höchstens
300 - 400 m. Da kam wieder das abstrakte, asiatische Denken bei ihm zum
Durchbruch. Alles was weiter, oder größer ist als 10, ist groß,
oder länger, und wird immer als größer bezeichnet. Ich
bin nicht sicher ob man mich diesbezüglich richtig verstehen kann.
Siehe Bild weiter unten!
Wir stiegen also wieder in den PKW Wolga ein, denn die Fähre hatte
angelegt und ließen uns auf diese lotsen. In der Annahme, dass eine
sichere Auffahrt existiert, lotse uns stattdessen ein Matrose über
zwei Bretter auf dieses Gefährt. Er winkte mit den Händen nach
links, nach rechts bis wir oben waren. Mir wurde angst und bange wenn
ich daran denke: der Wolga rutscht ab und wir damit in den Fluss? Auf
Wiedersehen du schöne Welt!
Zu Oskar sagte ich: "Bei der Rückfahrt steige ich vorsichtshalber
lieber aus und balanciere mich selber über die Bretter. So möchte
ich nicht absaufen!"
Das Erholungsbad
Wir kamen, wie gesagt, nach ca.15 km in dem Bad an, wurden von Djin ins
hinein geführt und sehen eine dichte Dampfwolke über dem Wasser,
die ein herrliches wohltuendes Bad versprach. Auch hier muss ich eine
Kuriosität einflechten.
Chongqing nennt man den "Backofen" von China. Die durchschnittliche
Temperatur liegt immer über 20°C. An diesem Tag gab es eine Außentemperatur
von 15°C. Wir zogen uns aus und stiegen ins Wasser. Eine Temperatur
umgab uns, es erschien mir, als seien wir ähnlich wie in einem tschechischen
Thermalbad. Das Wasser trug uns von selbst, man brauchte kaum Schwimmbewegungen
zu machen. Möglich das es Radiumhaltig war. Nach einer halben Stunde
des Bades stand verzweifelt Djin am Beckenrand und rief uns zu, wir sollten
herauskommen, wir würden uns erkälten. Wir riefen nur Djin zu:
das ist so herrlich uns passiert nichts wir sind das gewohnt. Nach einiger
Zeit kletterten wir aus dem Wasser. Für uns standen zwei Liegestühle
mit riesigen wolligen Badetüchern bereit. Eingewickelt versuchten
wir ein wenig zu schlummern. Wie uns Djin später erklärte sei
das ein Bad für die in der Gegend arbeitenden Menschen, nicht für
Touristen.
Noch vor uns hindämmernd, kommt Djin zu uns und sagte: der Bürgermeister
und der Parteisekretär hätten erfahren dass wir im Ort seien
und sie würden uns zum Essen einladen.
Das Dorfgasthaus
Wir fuhren vom Bad einige hundert Meter in das Dorf, stiegen an einer
Kreuzung aus und sahen ein Gasthaus vor uns. Von zwei Seiten vollkommen
offen und betretbar. Der offene Teil mit Holzbalken stützte das erste
Stockwerk, ähnlich wie die Fachwerkhäuser in Deutschland. Ich
schaute neugierig in den Raum und sah primitive Tische und Stühle,
an denen teeschlürfende Chinesen saßen. Es war Mittagszeit
und sie schienen Arbeitspause zu haben, möglich auch, dass sie zum
Palavern im Gasthaus saßen, zumindest hörten wir ein Tohuwabohu
an durcheinander sprechender Stimmen.
Über eine Stufe hinweg betraten wir den Raum. Als die Chinesen uns
sahen war plötzlich "Funkstille" im Raum! Gebannt starrten
sie auf uns. Was für Leute kommen da herein? Auch hier hatten die
Menschen noch nie einen Fremden, gar einen Europäer gesehen. Wir
wollten uns gerade an einen Tisch setzen, da kamen der Bürgermeister
und der Parteisekretär regelrecht angerannt um uns zu empfangen.
Zwei kleine gut beleibte Herren, sie baten uns über eine Holzstiege
in den ersten Stock.
Oben angekommen stellte uns Djin gegenseitig vor. Im Raum selbst stand
ein runder Tisch, ca.2 m im Durchmesser mit acht Stühlen rund herum.
Entweder war es ein besonderer Gastraum, oder das Sitzungszimmer des Bürgermeisters.
Während wir die Plätze einnahmen kamen noch drei Chinesen hinzu,
wahrscheinlich irgendwelche Verantwortliche des Ortes. Nach kurzer Zeit
der Begrüßung kamen zwei Kellner mit drei riesigen Speiseplatten,
stellten sie auf den Tisch, dazu für jeden einen Teller und ----
Essstäbchen!

Ein Paar Essstäbchen
Der Bürgermeister bat uns zuzulangen. Nach einem so herrlich erfrischenden
Bad bekommt man natürlich Appetit. Sick langte ordentlich zu in der
Annahme, dies sei das einzige was sie uns anbieten. Da hatte er sich gewaltig
geirrt. Auf den Platten bemerkte ich u.a. Batate-Kartoffeln, eine typisch
chinesische Süßkartoffel und natürlich andere köstliche
Kleinigkeiten. Kalte Fleischstücken, Geflügel, Fisch, dazwischen
auch Obststücke. Ein ausgesprochen malerisch-buntes Bild an Essbarem,
hervorragend garniert.
Der Bürgermeister fragte uns was wir trinken möchten. Sick und
ich schauten uns an was sie wohl servieren könnten. Tee stand ohnehin
da, vielleicht Bier? Sie brachten tatsächlich Bier und dazu kleine
10 cm große Stilgläschen mit einer Tulpe in Fingerhutgröße.
Mau tai 85% Alkohol
Er würde uns auf einen "Mau Tai" einladen. Nicht ahnend
was eingeschenkt wird füllten die zwei Kellner die Gläschen
voll und dann, mit einem kleinen Trinkspruch und "Gan bei",
in einem Zug auf Ex die Gurgel hinunter.
Mir blieb die Luft weg!
Ich schnappte im wahrsten Sinne des Wortes nach Luft. Djin sagte mir,
dass wir einen Reisschnaps getrunken hätten mit 85% Alkohol. Wenn
die Chinesen spüren, dass der Gast auch gern trinkt, dann ist "Gan
bei" eine ständig sich wiederholende Einladung zum Trinken,
quasi eine Selbstverständlichkeit. Bei allen Anlässen bemerkte
ich, dass die Chinesen dem Alkohol sehr zugetan sind.
Nach dem zweiten "Mau Tai" und den Vorspeisen, denn das waren
welche, sagte Sick zu mir: "Ich kann bald nicht mehr." Er hatte
zu sehr zugelangt, eben in der Annahme, dass nichts weiter angeboten wird.
Etwas zurückhaltender aß ich von den Leckerbissen auf den Platten.
Deutsches Essen in einem chinesischen Dorf
Wir sitzen am Tisch und diskutieren mit den Chinesen, da öffnete
sich die Tür und der Kellner kam mit einer Riesenterrine angerauscht,
stellte sie mitten auf den Tisch, dazu frische Teller, Reisschüsseln,
Glasnudeln, Gewürze.
Die Größe der Terrine war unbeschreiblich, sie muss ungefähr
50-60 cm im Durchmesser gewesen sein. Aus dieser Schüssel duftete
es geradezu köstlich. Eine Fleischbrühe in der Geflügelstücke,
Schweinestücke und noch anderes Fleisch herum schwammen.
Der Bürgersmeister stand auf, nahm seine Essstäbchen, bat uns
den Teller hinzuhalten und verteilte das in der Brühe schwimmende
Fleisch. Jeder konnte sich Reis oder Glasnudeln in die bekannten Porzellanschüsseln
nehmen und mit einer Porzellankelle die Brühe darüber gießen.
Um es vorweg zu nehmen: es schmeckte so hervorragend, dass ich auf der
Rückfahrt zu Sick sagte: "Ich habe noch nie so original deutsch
gegessen wie in diesem Dorf."
Dazu muss ich bemerken, wenn ich von Auslands- oder Gastreisen nach Hause
kam kochte meine Frau grundsätzlich eine Rindfleischsuppe mit Nudeln.
Man muss ja seinen Magen wieder in die Reihe bekommen.
Nach den üppigen Menüs die wir in den Wochen vorgesetzt bekamen
und schon mehr als gesättigt waren, fand ich dieses Essen direkt
wie eine Erholung von den Mahlzeiten die wir bis dahin vorgesetzt bekamen.
In einem abseits gelegenen unbedeutenden Dorf so ein tolles Gericht serviert
zu bekommen, ist genauso unfassbar, wie alles andere was wir erlebten.
Bei der Rückfahrt stieg ich, wie angekündigt, aus dem PKW und
balancierte leicht beschwipst vom "Mau Tai" auf den Balken auf
die Fähre. Im Hotel angekommen machten wir Beide ein wohlverdientes
Nachmittagsschläfchen!
Sonderausflug zu den Grotten von Dazu
An einem der Tage sagte Djin, wir bekämen einen Bus, es könnten
aber höchstens 30 Personen mitfahren zu einer weltberühmten
Sehenswürdigkeit.
Die drei Grotten bei "Dazu" liegen ca. 90 km südwestlich
von Chongqing entfernt. Bei dieser Fahrt fuhren wir durch kleine Ortschaften.
In einer Kleinstadt, es könnte der Ort "Dazu" direkt gewesen
sein, schauten alle neugierig aus den Busfenstern.
Plötzlich rief ein Kollege: "Schaut mal da drüben!"
Wir sahen jede Menge Radfahrer, Radfahrer mit kleinen Rikscha-Anhängern,
eigentlich nichts Ungewöhnliches. Allerdings – und nun kommt
das Verrückteste was ich je gesehen habe und das es nur in diesem
Ort geben soll - wie uns gesagt wurde:
Die Radfahrer fuhren vorwärts, sie traten aber mit
den Pedalen rückwärts!
Rückwärts treten und vorwärts
fahren, das war wirklich das verrückteste Bild, das man
sich vorstellen kann.
Alle lachten herzlichst. So etwas Kurioses zu sehen gibt es nur einmal.
Im Bus entstand sofort eine Diskussion unter den Kollegen wie sie das
technisch umsetzen. Jeder wusste natürlich sofort Bescheid und hatte
eine Antwort parat. Jeder konnte genau erklären wie das funktioniert,
nur beweisen konnte das keiner.
Die Drei Grotten
Bei den Grotten angekommen bot sich uns ein überwältigendes
Bild. Wie viel Statuen es insgesamt waren kann ich nicht mehr einschätzen.
Die Größenordnung enorm. Ein gewaltiges in Stein gemeißeltes,
aus dem Fels heraus gehämmertes Monument.
Die Felsskulpturen von Dazu sind eine Reihe von religiösen Skulpturen
die bis auf das 7. Jahrhundert zurückgehen. Ihre Darstellung ist
von buddhistischen, konfuzianischen und taoistischen Gedankenwelten beeinflusst.
Unter den Figuren gibt es einen tausendarmigen Buddha, den man den "Avalokitesvara"
nennt. Nachzählbar ist das kaum, aber es beweist wieder das abstrakte
Denken der Chinesen, das was viel ist, muss dann Tausend sein, oder noch
darüber!
Ein faszinierender Anblick! Man kann nur staunend und bewundernd vor solch
einem Monument stehen.
Dieser Ausflug bleibt ob der Kuriosität des Gesehenen gleichfalls
in der Erinnerung unauslöschlich haften.


Grotten bei Dazu

Originalfoto 1959
Unser Aufenthalt in Chongqing näherte sich dem Ende zu. Eines Tages
hieß es wir würden eine "Urlaubsfahrt" auf dem Jangtsekiang
machen von Chongqing bis Nanking. Eine Schifffahrt, vier Tage und drei
Nächte, 2250 km! Alle Kollegen waren fassungslos.
An der Anlegestelle angekommen, sahen wir einen Luxusdampfer für
uns bereit gestellt am Ufer.

Luxusdampfer am Jangtsekiang
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