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Nanking
Nanking – die eigentliche Hauptstadt Chinas
Ende Oktober, denke ich, legte unser Schiff in Nanking an.
Nanking,
eine ebenso bedeutende Metropole wie Shanghai, oder die anderen Weltstädte
Chinas.
Sie sollte nach dem Sturz des Kaisers die eigentliche Hauptstadt Chinas
werden. Darauf komme ich noch zu sprechen.
Mich frappierten in jedem Hotel die Empfangshallen, die meist überdimensional
ausgestaltet waren. So auch in Nanking.
Kleine Verkaufsstände, an den verschiedenen Seiten aufgestellt,
boten alles an was wünschenswert war. Zeitungen, Zigaretten,
vor allem aber Souvenirs die es in jeder Art und Form gab.
Man spürt regelrecht die Jahrtausend alte Kultur bei all diesen
Objekten.
Neugierig schaute ich mich um und entdeckte einen Wandbehang mit einem
Ibis-Motiv.
In Erinnerung an den sanft dahinschwebenden Ibis in den "Drei
Schluchten" kaufte ich sofort diesen Wandbehang.
Für mich sollte dies zumindest ein Erlebnis wach halten, welches
man sicherlich nicht ein zweites Mal hat. |
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Am
anderen Morgen, zum ersten Frühstück bekamen wir (Oskar Sick
und ich) etwas absurdes vorgesetzt, etwas das man im Leben niemals vergisst.
An das Hotel erinnere ich mich nicht mehr, aber an das erste Frühstück
besonders.
Die Leitung saß immer gesondert an einem extra Tisch. Im Prinzip
bin ich ein Gegner solcher Marotten, aber dem Gastgeber gegenüber
muss man sich beugen!
Ich nahm die Frühstückskarte zur Hand und lese darauf eine Speise
mit der Bezeichnung: "Aal in Öl". Zunächst ganz normal.
Zu Sick sagte ich: "Oskar, heute gibt`s Aal zum Frühstück."
Prima, meinte er. Sick und ich saßen zunächst allein am Tisch.
Der Kellner welcher uns bediente, stellte einen Frühstücksteller
mit Aal in Stücken geschnitten vor uns hin. Sick meinte noch: "Da
können wir mal ordentlich zulangen." Aal ist immer etwas besonders
und ich aß den sehr gern. Er schmeckte hervorragend, gut zubereitet,
nicht zu fettig, bekömmlich.
Wir hatten den Teller leer gegessen, sofort stand ein neuer voller Teller
vor uns. Wir bedachten nicht dass, wenn man in China einen Teller leer
ist, es bedeutet: mir hat es so gut geschmeckt ich möchte noch mehr!
Es ist das gleiche wie beim Trinken!
Den zweiten Teller mit Aal aßen wir dann höchstens bis zur
Hälfte auf, sonst hätten sie uns noch einen dritten aufgetischt.
Zu Sick sagte ich: "Komisch, der Aal hat eine andere Form als bei
uns". Wir verzehrten alles mit großem Appetit. Später
am Tag sagte ich zu Djin: "Heute früh gab es 'Aal in Öl'.
Der Aal hat bei euch eine ganz andere Form als bei uns. Bei uns sind die
Aale mehr halbrund und die Gräten leicht schräg nach hinten
gewachsen. Bei euch ist der Aal ganz flach und die Gräten (oder das
Gerippe?) stehen seitlich quer von der Hauptgräte." Da grinste
er über das ganze Gesicht und sagte: "Siegfried, dass war nicht
Aal, sondern eine ganz besondere Delikatesse die es nur in Nanking gibt:
das war 'Nanking-Schlange'."
Wenn man das gesagt bekommt und darüber nachdenkt was man früh
gegessen hat, weiß man nicht mehr: hat es nun gut geschmeckt oder
haben wir uns das nur eingebildet?
Egal! Es war köstlich und wir hatten es mit großem Appetit
gegessen und genossen!
Zusätzlich meinte Djin noch, dass dies eine teure Speise sei, die
sich der normale Chinese kaum leisten kann. Bei solchen Aussagen kommt
jeder ins grübeln: Was bekommen wir von unseren Gastgebern geboten?
Was widerfährt einem und wie großzügig werden wir behandelt?
Außerdem sagte er noch, dass es diese Delikatesse nur in Nanking
gibt, die Schlangen würden nur in dieser Gegend leben, sonst nirgendwo
in China.
Alles schon absurd und verrückt! Schluss damit! Man lernt immer neues
dazu!
Nach wie vor wunderten sich alle dass wir in dieser Stadt, die noch dazu
eine berühmte Universität und ein Nationalmuseum besitzt, keine
Konzerte gaben.
Wie ich bereits sagte: Der Instrumententransport mit dem gesamten Inventarium
von Chongqing nach Shanghai zu transportieren, immerhin sind das über
3000 km, wie das die Chinesen organisiert und transportiert haben, dahinter
sind wir nie gekommen.
Die "Sun Yat sen" - Gedenkhalle
Für die Chinesen ist die Dr.-Sun-Ya-sen-Gedenkhalle eine Stätte,
die jeder Chinese einmal im Leben aufgesucht haben muss. Dazu muss ich
einiges deutlicher ausführen. Wir selbst besuchten sie am zweiten
oder dritten Tag unseres Zwischenaufenthaltes in Nanking. Vorweg gesagt,
ein nicht nur imposantes, sondern vor allem historisches und ehrwürdiges
Denkmal!

Sun Yat sen Gedenkhalle
Mein Wissen über Sun Yat sen bezieht sich auf das was ich in dem
Mausoleum gesehen und gelesen hatte und auf das was Djin mir vermittelte,
der immerhin ein großes Geschichtswissen besaß.
Dr. Sun Yat sen war der erste große, liberal gesinnte und demokratische
Politiker Chinas und der erste Präsident eines freien, friedlichen
und liberalen Staates. Seine Schriften beruhen auf den Gedankengängen
Lenins mit den frühen Vorstellungen von Sozialismus und den sich
westlich formierenden Demokratien. Nach dem Abdanken des letzten Kaisers
übernahm er, wenn auch nur für kurze Zeit die Geschicke Chinas,
die danach von der Kuomintang zerschlagen wurde und den heutigen Kommunismus
vorbereitete und organisierte.
(Der letzte Kaiser übrigens wurde in einer Fabrik, die eher einem
ideologischen Erziehungslager glich, zum "Arbeiter" umerzogen!)
Diese fortschrittliche Entwicklung die Sun Yat sen versuchte gesellschaftspolitisch
umzusetzen, wurde nicht zuletzt durch den Machthaber Tschiang Kai shek
zerstört. Er versetzte dieser Entwicklung den Todesstoß. Danach
entstanden Machtkämpfe, Bürgerkriege bis hin zu dem Entstehen
des heutigen Chinas, wozu der 1934 beginnende "lange Marsch"
vom Süden nach dem Norden beitrug.
Mao tse tung, Tschou en lai und andere namhafte Politiker führten
die
"Rote Armee" an im Kampf gegen Tschiang Kai shek und die Japaner.
1949 entstand dann die Volksrepublik China.
Am Monument Sun Yat sens stiegen wir die unzähligen Treppen (ich
glaube über dreihundert) mühsam empor, traten in eine Gedenkstätte
ein, die eine ausgesprochen historische Wirkung ausstrahlte. Auf einem
Sockel sitzend der große Politiker. Im Raum selbst Bild-, Schrift-
und andere anschauliche Dokumente, die dem Beschauer ein großartiges
Bild von einem Mann vermitteln, der quasi vom "Kuli" zum Staatsführer
aufgestiegen war.
Von dieser Höhe aus konnte man außerdem einen wundervollen
Ausblick in das Umland genießen. Man versteht, dass dieses Monument
jeden Chinesen begeistert und sie diesen großen Mann verehren.
Weltbürgertum
An dieser Stelle muss ich von meiner Reiseschilderung ausnahmsweise abschweifen.
Steht man am Fuß des Monumentes, schaut nach oben, steigt die gewaltige
Treppe empor, tritt in die Halle, sieht Sun Yat sen sitzen und nimmt die
Dokumentation in sich auf, dann kommen Gefühle und Gedanken auf wie
Zeit- und Weltgeschichte sich hier zentriert darstellt und offenbart.
Dabei kommen Fragen auf, welche evolutionären und revolutionären
Entwicklungen die Welt genommen hat.
Ein Mensch sitzt auf einem Sockel, weit gereist und weltgebildet, der
ein Volk in eine friedliche, freiheitliche, liberale Gesellschaft führen
wollte. Ein Volk, das Jahrtausend alte Kaiser-Dynastien die als alltägliches
Vergnügen nur das "Köpfen" kannten und für die
es nur "Untertanen" und "Kulis" gab, vom Thron stürzte.
Ein Mensch, der sich selber als "Kuli" bezeichnete, obwohl er
eine Bildung von Weltformat besaß.
Da entstehen Gedanken im Kopf: Was ist Zeitgeschichte, was Entwicklung
und was war alles in Jahrtausenden und den vergangenen Jahrhunderten passiert?
Evolutionär – Revolutionär?
1789! Französische Revolution.
1848! Deutsche Revolution (Bakunin, der erste Anarchist Russlands
kämpft
mit Richard Wagner in Dresden auf den Barrikaden).
1905! Der Petersburger Blutsonntag.
1917! Die Matrosen der "Aurora" (bezeichnender Name)
stürmen
das Petersburger Zarenschloss,
verjagen den
Zaren und sein Gefolge und verbannen ihn nach Sibirien.
Eine weitere Station in der Revolutionsgeschichte: Der Sturz des deutschen
Kaiserreiches 1918, nach dem ersten Weltkrieg.
Alles setzt sich kontinuierlich fort.
In Europa entwickelte sich um 1900 eine Kultur-"Hoch"-Zeit,
ein geistiger, geradezu weltgeschichtlicher Höhepunkt der nie wieder
erreicht wurde und erreicht werden kann.
Aus allen diesen unterschiedlichsten Entwicklungen heraus entstehen dann
ausgerechnet (oder folgerichtig?) Weltdiktaturen. Völkermörder
herrschen! Verrückt zu nennende Psychopaten, Egozentriker, Machtbesessene,
die nur das Vernichten im Kopf hatten: Stalin. Hitler, Mussolini, Franco,
Batista, Fidel Castro, Mao - wen soll man noch nennen?
Alle herrschten sie mit Methoden, die mörderischer und verbrecherischer
nicht sein können, nur um Macht zu bekommen und Macht zu erhalten.
Alle kannten, wie tausende Jahre zuvor, auch nur das "Köpfen"
und "Hinrichten"!
Ganze Kulturen, Zivilisationen, geistig moderne Entwicklungen, zerstörten
und vernichteten sie und raubten den Menschen die Freiheit, sperrten sie
ein in zunehmende, marode Zwangssysteme!
Internationale Parallelen
Amerika , das von geflüchteten, verfolgten, ermüdeten und Neuland-Suchenden
Europäern "erobert" wurde, zerstörten, mordeten und
vernichteten wahllos Kulturvölker die in ihrer Freiheit und nach
ihren Natur-Gesetzen lebten.
Heute regieren und bestimmen die "Eroberer" mit Colt und Cowboy-Gebaren,
glauben die Freiheit gepachtet zu haben und maßen sich an "Weltpolizist"
zu spielen, meinen außerdem, das alles wäre demokratisch.
Krieg führen gegen jedermann scheint oberstes Gebot zu sein.
Von Afrika mit seinen Usurpatoren und den sich selbst hinschlachtenden
Völkern zu sprechen, ganz zu schweigen.
Die heutige arabische Welt mit der grünen Revolution, die in Tunesien
begann, welchen Weg wird sie gehen?
Natürlich kannte 1959 keiner diese Entwicklungen, aber in solchen
Momenten und angesichts eines derartig geschichtsträchtigen Denkmals
(oder Mahnmals?) hinterfragt man sich schon, welchen Weg geht die Weltgeschichte?
Welchen beschreitet sie und in welcher Form?
Wo finden sich Menschen die wahrhaftig, offen und ehrlich, dazu gemeinnützig
den Weg suchen, der für alle Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit und
Brüderlichkeit bringt?
Beethovens "Neunte" müsste
zur Welthymne erklärt werden
mit Schillers Text: "…Alle Menschen werden Brüder…."
Eine Revolution, die 1953 in der DDR begann,1956 in Ungarn und 1968 in
Prag blutig zerschlagen wurde, danach in Polen mit der "Solidarnosz",
46 Jahre lang unterschwellig schmorte, brachte ein mörderisches Weltsystem
- den gesamten Ostblock - 1989 zum Zusammenbruch. Wie ein Kartenhaus krachte
alles zusammen.
Das alles zusammen weil Menschen 1989 (zweihundert Jahre nach der französischen
Revolution) friedlich, mit einer Kerze in der Hand und ohne Gewalt, ihren
Volkswillen zum Ausdruck brachten und Regierungen machtlos und ohnmächtig
dastehen ließen. Menschen, die Mauern einrissen und Zäune zerschnitten
und die Freiheit suchten und wollten.
Nunmehr stellt sich die Frage, fanden sie diese, oder?
Das heutige Europa vereinigt sich niemals, dafür ist es national
zu eigensinnig, zu engstirnig, kleingeistig und kleinbürgerlich!
Wo finden sich Köpfe die Mut, Durchsetzungskraft und den Geist besitzen,
um eine wahrhaftige Wende – in allen Bereichen - herbeizuführen?
Das Sun Yat sen Denkmal bleibt ein Weltdenkmal!
Es sollte zum Weltkulturerbe ernannt werden!
Ein über viertausend Jahre geknechtetes, ausgeraubtes und gemartertes
Volk von dieser Knechtschaft zu befreien und mit einer Vorstellung von
"Demokratia" in eine neue Zeit zu führen, verlangt nicht
nur Respekt, Hochachtung, sondern verdient eine Würdigung, die dem
entspricht was wir unter Humanismus verstehen.
Ich musste das 2012, Ende des Jahres, innerhalb meines Berichtes von der
Konzertreise schreiben und aussprechen, weil ich als "Weltbürger",
der ich mich bereits 1950 dazu bekannte und erklärte, zwei Diktaturen
und Überwachungsstaaten und vier Ansätze zu Demokratien in West
und Ost kennen lernte. Zum Gesagten denke ich, dass ich mir diese Beurteilung
und diese Einschätzung mit meiner Lebenserkenntniss- und Erfahrung
erlauben darf.
Sonderausflug in einen kaiserlichen Lust-Park
Uns allen schien es, wie bereits gesagt, als würden wir eine Vergnügungs-,
eine Urlaubsreise machen. Wohnen in exklusiven Hotels, Besuch bedeutender
Sehenswürdigkeiten, exquisite Speisenangebote, was will man mehr?
Von Nanking aus planten unsere chinesischen Freunde einen Ausflug in einen
kaiserlichen Lustpark. Als wir ankamen sahen wir eine Menge Menschen.
Wir wussten nicht weshalb sie da waren, ob unseres Besuches wegen oder
aus irgendeinem anderen Anlass.

Kaiserlicher Lustpark
Auf diesen Park sind vor allem die chinesischen Kommunisten stolz, denn
hier hielten sie Tschiang Kai shek ein oder zwei Jahre gefangen.
In diesem Quadratkilometer großen Park konnte er sich mit seiner
Frau vollkommen frei bewegen. Sein eigenes Personal versorgte ihn, es
war ihm alles gestattet, nur das Areal wurde Tag und Nacht rund herum
bewacht damit er nicht fliehen konnte.
Nanking auch eine uralte Kaiserstadt. Deshalb in der Nähe dieser
Park, der für die Herrscher zum Lustwandeln und zum Vergnügen
geschaffen wurde. Kleine Pavillons, Teehäuschen, Kemenaten für
Liebesvergnügen, kleine Teiche, Wandelgänge, Treppenpassagen.

Beim Anblick und bei dieser Atmosphäre glaubt man im Märchen
von
"Tausend und einer Nacht" zu sein! Wir mussten uns alles anschauen,
wurden durch den gesamten Park geführt und die Dolmetscher versuchten
uns alles zu erklären.
Eine insgesamt unglaubliche, schöne Atmosphäre und eine besondere
Stimmung!
Ein besonderer Leckerbissen!
Nach dem Rundgang wurden wir "zu Tisch" gebeten, es sollte etwas
zum Essen geben?
Tische und Liegestühle standen bereit. Ein "Picknick" gereicht...


Das Bild mit den Kartons kaufte ich extra von
einem Kollegen!
In den Kartons, die wie Pizzakartons aussahen, war eine Speise enthalten,
eine Speise, die ich in meinem Leben nie wieder gegessen habe.
Die Kartons dampften regelrecht. Zudem standen Getränke auf den Tischen,
Bier, Säfte, u.a., zum Glück gab es in China noch keine Coca-Cola!
Als ich meinen Karton öffnete, strömte mir ein heißer,
dampfender Kiefernnadeln-Geruch in die Nase.
Ein Geruch, wie ich ihn noch nie verspürt und gerochen hatte. Auf
einem Bett von sehr heißen Kiefernzweigen lagen eingebettet ein
Art "Pelmeni", genauer gesagt Teigtaschen von ca. 10 cm Größe,
wahrscheinlich mit Reismehl hergestellt.
Die Taschen, unterschiedlich in Farbe und Inhalt, enthielten püriertes
Gemüse, fein gehacktes Fleisch, alles gut gewürzt und äußerst
schmackhaft.
Eine einmalige Delikatesse die auch nur in bestimmten Regionen angeboten
wird.
Zufrieden und gesättigt genossen unsere Kollegen nicht nur das Essen,
sondern das Panorama insgesamt. Sie fotografierten alles im Detail. Jeder
wollte zu Hause von solchen Erlebnissen nicht nur berichten, sondern das
auch bildhaft beweisen!
Dass hierzu die Geschichte – auf die die Chinesen wirklich stolz
sind - von Tschiang Kai shek, seiner Gefangenschaft, die Möglichkeit
sich trotzdem frei zu bewegen, fast untergegangen war, kann man verstehen.
Der Gesamteindruck den jeder erhielt war nicht nur umwerfend, sondern
auch durch alles Historische bedeutend!
Zurück in Nanking standen uns als letzte Sehenswürdigkeiten
Besuche in dem National- und Kunstmuseum bevor.
Nationalmuseum
Ich denke, dass unser Aufenthalt dazu diente uns nicht nur das zeitnahe
Leben nahe zu bringen und zu zeigen, sondern das politische China, mit
den Wirren der frühen kommunistischen Parteientwicklung, die von
schweren Kämpfen und mit heftigen ideologischen Richtungen belastet
war.
Vor allem aber das geschichtlich, historische China, das von den Kaiser-Dynastien
in Jahrtausenden von Jahren, Kultur, Wissenschaft, Lebensweisen und Sitten
beeinflusste und eine abgeschlossene - besser verschlossene - eingemauerte
Menschheit beherrschte.
Dazu war der Zwischenaufenthalt in Nanking, das für die Chinesen
die eigentliche Hauptstadt – aus historischen Gründen –
ist, bestens geeignet.
Im Nationalmuseum befanden sich Objekte, die es auf der ganzen Welt nur
einmal gibt. Objekte die nicht nur originelle, sondern wissenschaftliche
Sensationen darstellen und die von großem Forscherdrang zeugen.
Jeder spürt welche hohe, qualitative Zivilisation China, welche ausgeklügelte
Technik, welchen Erfindergeist die Menschen weit vor dem Jahre Null, also
vor Christi, besaßen und die Gesellschaft prägte.
Der nachstehende Seismograph soll der erste in der Weltgeschichte überhaupt
sein!

Seismograph
Zunächst muss man annehmen, dass unter dem Seismograph in der Erde
ein Pendel welches auf feinste Erdbewegungen reagiert angebracht ist,
um den Effekt mit der herausfallenden Kugel zu ermöglichen.
Die acht Drachen, angeordnet nach den acht Windrichtungen
(Süd, SüdWest, West, NordWest, Nord, NordOst, Ost, SüdOst)
sind an dem Kessel angeschweißt oder anmontiert.
Die Drachen tragen eine Metallkugel im Maul.
Wenn irgendwo in der Welt ein Erdbeben stattfindet, dann fällt eine
Kugel aus dem Drachenmaul in das Maul einer der darunter stehenden Frösche.
Ein "Klingeln" ertönt und der Wissenschaftler weiß:
Achtung! Da findet irgendwo in der Welt ein Erdbeben statt!
Wo genau, das verrät danach der Mann in dem Wägelchen mit dem
ausgestreckten Arm. Der Arm zeigt präzis in die Welt- oder Windrichtung
in der das Beben stattfindet. Sieht man solche Geräte die vor Tausenden
von Jahren entstanden sind, dann weiß man, was die früheste
Menschheitsgeschichte bedeutet, was sie ausmacht, was sie geschafft hat
und was die Menschen schon wussten und vollbrachten.

Richtungsweiser
Eine unglaubliche Präzision und technische Vollkommenheit!
Nur zwei Beispiele aus dem Nationalmuseum sind hier angeführt. Was
es noch zu sehen gab, kann man bei der Fülle nicht beschreiben und
aufzählen.
Kunstmuseum für Malerei
Eine weitere Überraschung erlebte ich in dem Kunstmuseum. Moderne
Malerei!?!
An alles hätte ich gedacht nur nicht, dass es in China moderne Malerei
gibt.
Wir hatten uns bereits an die chinesische, klassische Malerei gewöhnt.
Ich hatte sie mir von Djin auch erklären lassen. Das Bild soll ein
kleines Beispiel geben wie die klassische Art Malerei - von alters her
gang und gäbe - zu sehen und zu verstehen ist.

Klassische Landschaftsmalerei
Die klassischen Maler verbinden ihre Malerei immer mit einer Gedichtzeile,
die irgendwo am Rand geschrieben steht. Aus dem Inhalt heraus gestalten
und malen sie dann ihre Bilder. Heute sieht man solche klassischen Bilder
in allen chinesischen Restaurants, ob die Gäste das wissen und deuten
können, bezweifle ich!
Am Anfang war ich davon ausgegangen, dass diese Schriftzeichen eine Markierung
des Staates sind, sozusagen, dass nur der Staat darüber verfügt.
Fehl gedeutet!
So irrt man sich, wenn man eine Kultur nicht kennt und glaubt, Staatsräson
sei gleich Kunsträson! Die DDR lässt grüßen!
Nun aber zur Sache: In moderner Malerei kannte ich mich als Dresdner sehr
gut aus. Sempergalerie, Zwinger, Kunstausstellungen, selbst zu DDR-Zeiten,
waren für Schüler und Studenten Pflichtbesuche und moderne Kunst
geläufig.
Für mich grundsätzlich, weil als Dirigent Literatur, Malerei,
bildende Kunst Bestandteile sind die man kennen muss, um den Beruf überhaupt
ausüben zu können.
Hinzu kommt, dass ich für die "Moderne" ein besonderes
Faible besitze.
Der Dresdner Glöckner war mir ein Begriff! Bauhaus!
Die französischen modernen Maler und vieles mehr.
Was ich aber in diesem Museum sah, hätte ich nie erwartet.
Ölbilder, Grafiken, Collagen in allen möglichen modernen Formen
und Ausdrucksweisen. Ich war derart überrascht, dass es so eine Kunstentwicklung
im kommunistischen China gibt, das auch erst seit 1949 existiert und das
es möglich war, dass sich moderne Kunst entfalten konnte.
Vor allem, dass der kommunistische Staat diese Kunstrichtungen zulässt
und gewährt!
Glücklich über das Gesehene schilderte ich Djin meinen Eindruck
und er spürte, dass ich nach den wenigen Wochen einer gemeinsam erlebten
Konzertreise mit der "Seele" der Chinesen vertraut geworden
war. I
Ihn erfüllte das ebenso mit Genugtuung!
Basar von Nanking
In Nanking fand ich das erste Mal mehr Zeit privat etwas zu unternehmen.
Das war mir bisher nur in Xian gelungen wo ich heimlich aus dem Hotel
entwischte. Ansonsten reichte die Zeit nicht vor lauter Besuchen von Sehenswürdigkeiten
und historischen Stätten.
Basare sind vom Vorderen Orient bis nach Ostasien immer etwas Besonderes.
Mit Djin spazierte ich eines Morgens in den Basar. Was es in China diesbezüglich
zu sehen gibt und was da angeboten wird, übersteigt alles was unseren
Vorstellungen entspricht. Mit meinem Taschengeld war ich bisher sehr sparsam
umgegangen so dass ich in aller Ruhe mich an den Ständen umschauen
konnte.
An einem Stand sah ich, von der Natur geformt, wundervolle Gesteine. Teilweise
zu Schmuckstücken verarbeitet, aber auch naturell, so wie sie über
Jahrtausende entstanden sind. Eine fast unübersehbare Fülle.
Mir fielen sechs kleine Schälchen auf die besonders gemasert und
geformt waren. Sie betrachtend sagte Djin zu mir, mit Hilfe des Händlers,
dass dies Halbedelsteine seien und nur in Nanking gäbe. Es handelte
sich um Achate!

Nanking – Achate
In einer bestimmten Berggegend bei Nanking findet man diese Gesteine!
(Ähnlich wie bei uns im Thüringer Wald nur an bestimmten Stellen
z. B. die "Schneekopfkugeln" zu finden sind.)
Die Achate sind von Natur aus von der Farbe gegeben, ebenso die Maserung.
Solche Schälchen dienen zum servieren von Gewürzen. Bei einem
Festessen füllt man sie mit den verschiedensten Gewürzen und
je nach Geschmack nimmt der Gast mit den Essstäbchen, ein Stück
Fleisch und tunkt es leicht in eine der Gewürzschalen.
Bei dieser Gelegenheit sprachen wir u.a. auch über "Curry".
Von Indien herkommend hatte sich dieses Gewürz in China ebenso stark
verbreitet und gehörte als Gewürz zum alltäglichen Leben.
Es kann aus zwanzig verschiedenen Gewürzsorten hergestellt und gemischt
werden.
Dazu erfuhr ich, dass die Mischung die Hausfrauen selber mixen, je nach
der Geschmacksrichtung ihres Mannes. Der eine mag es mehr süßlich,
der andere mittelscharf und andere sehr scharf.
Das bedeutet, dass die Hausfrau sich nach dem Mann richtet, das bedeutet
vor allem aber, dass Curry durch die unterschiedlichsten Geschmacksrichtungen
jeweils einen anderen besonderen Geschmack erhält.
Also Curry ist nicht gleich Curry!
Unser Aufenthalt ging zu Ende und am 3. November fuhren wir mit unserem
Zug nach Shanghai.
Nanking war ein außerordentliches,
in der romanischen Sprache sagt man extraordinäres Erlebnis.
Damit will ich zum Ausdruck bringen, dass wir etwas Einmaliges und sich
nicht Wiederholendes erlebten.
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