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Die Partei, die Partei ….. und ICH!
(von 1965 – 1980)
Prager Frühling 1968 – neue Wohnung in Suhl
Von Anfang Juli bis zum 19. August 1968 gastierte ich in Kosice (Slowakei),
Rundfunkaufnahmen und Konzerte innerhalb der fast sechs Wochen.
Staatstheater Kosice
Meine Frau begleitete mich.
Dieses Gastdirigat nahm ich in meiner Urlaubszeit wahr.
Wir erlebten in der Slowakei, durch die Reformbemühungen Dubceks,
eine Aufbruchstimmung wie ich sie in dieser überwältigenden
Form noch nie mitmachen konnte. Die Menschen strahlten vor Glück,
alle waren aufgeschlossen, freundlich, Fremde umarmten sich geradezu liebevoll
auf der Straße. Wir spürten diese Stimmung ebenfalls, sie wurde
uns auch zu teil, zumal bekannt war, dass ich in der CSSR (Tschechoslowakische
Sozialistische Republik) viele berühmte Freunde (nicht nur künstlerische,
sondern auch politische) und Weggefährten hatte.
Am 19. August fuhr ich mit meinem Auto in der Hohen Tatra, die Nordtangente
über Poprad, Zilina, Liberec entlang in Richtung Dresden nach Suhl.
Bei Poprad kamen wir in eine Panzerkolonne, die ich überholen musste.
Ich sagte noch zu meiner Frau: "Die Tschechen machen scheinbar ein
Manöver" (in der DDR hieß das "Maßnahmeplan
Mobilmachung"). Von Panzern oder Waffen verstand ich überhaupt
nichts, konnte nicht unterscheiden ob das tschechische oder russische
Panzer waren. Ich hatte in meinem Leben nie eine Waffe in der Hand außer
bei der HJ (Hitlerjugend), da musste ich zweimal zwangsweise schießen.
Danach weigerte ich mich grundsätzlich.
In Kosice konnten wir keine internationalen Nachrichten hören, da
wir der Sprache nicht mächtig waren, so dass ich nicht wusste, was
in der Welt passiert. Die Freunde waren alle euphorisch ob des politischen
Wandels, was ich besonders schätzte und was mich begeisterte.
Am 20. August früh hörten wir Nachrichten in Suhl. Entsetzt
über diese aus Prag kommenden Meldungen und vollkommen überrascht
hörten wir, dass die Truppen des Warschauer Paktes einmarschiert
seien. Darunter auch Truppen der DDR-Volksarmee!
Um 9 Uhr musste ich zur Orchesterprobe. Die erste nach der Sommerpause.
In der Orchesterpause kommt ein Genosse von der SED-Kreisleitung Hildburghausen
(Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) zu mir (Grasmuck = IM "Timbuktu")
und verlangte, dass ich den Einmarsch der Warschauer Vertragstruppen dem
Orchester erkläre und verteidige.
Mit dieser Forderung begann der erste Partei-Eklat für mich, der
meine Frau und mich in einen tiefen innerlichen Zwiespalt brachte.
Empört über sein Ansinnen sagte ich wörtlich zu ihm:
1. Ich habe Probe.
2. Ich habe keine Zeit, und
3. was ihr da macht, ist für mich Faschismus hoch drei!
Hochroten Kopfes lief er davon, berichtete meine Aussage der Kreisleitung
und diese sofort der Bezirksleitung. Was darauf folgte kann sich jeder
ausdenken, der den SED-Parteiapparat der DDR kennt.
Parteibezirkskontrollkommission!!! usw.
Ich nahm nichts zurück, äußerte mich aber vorsichtig,
ob der Konsequenzen die folgen konnten.
Am 21. August sagte ich zu meiner Frau (und hier beginnt der Zwiespalt):
"Was meinst Du, wenn wir einen Ausreiseantrag stellen?" Meine
Frau war entsetzt, denn – natürlich habe ich daran auch gedacht
– unser Kinder??? Was wäre aus ihnen geworden, oder wie wäre
man mit ihnen umgegangen? Man hätte sie uns einfach weggenommen!
Zu allen Problemen kam, dass wir gerade unsere neue Wohnung bezogen hatten.
Eine Wohnung die wir - von meinem Malerfreund Kurt-W. Streubel restauriert,
renoviert und mit im Eigenbau hergestellten Mobiliar versehen - gerade
bezogen hatten. Ein Jahr gemeinsame Arbeit! Endlich eine attraktive, wunderschöne
Wohnung beziehen zu können und dann wieder ins namenslose Nichts,
am Ende ohne Kinder?
Alles nicht zumutbar und unvorstellbar!
Sinfonisches Oratorium "Der Mensch"
Den zweiten politischen Eklat gab es 1969. Im Frühjahr sagte mein
Vorgesetzter – als Bezirksgeleitete Institution unterstanden wir
dem stellvertretenden Vorsitzenden des Rates des Bezirkes, Abteilungsleiter
für Kultur – ob ich zum 20. Jahrestag der DDR eine Komposition
erarbeiten könnte. Ich fragte ihn, was er sich da vorstelle. Er meinte
ein abendfüllendes Werk. Darauf ich: in dieser kurzen Zeit schafft
man so etwas nicht. Hin und her, ich sagte zunächst zu, wusste aber
nicht was ich machen sollte.
Unser 2. Dirigent Hans-Jürgen Thiers komponierte ebenfalls und ich
fragte ihn ob wir etwas Gemeinsames schaffen. Er sagte zu. Dann überlegten
wir, was wir komponieren sollten. Er meinte, vielleicht ein Sinfonisches
Oratorium. Darauf sprach ich in Hildburghausen sowie in Suhl die Bibliotheken
an, für mich Gedichtbände auszusuchen. Letztlich fand ich einen
Band von Eduardos Miezelaitis, Litauischer Dichter, mit dem Titel "Der
Mensch".
Mein Malerfreund Kurt-W. Streubel übernahm von 1965 an alle Drucksachen
für das Orchester. Programmgestaltung -Titelblatt, Prospekte, Plakate
usw. Der Bezirk musste die Druckgenehmigung erteilen. Zum Zeitpunkt des
Druckes für das Sonderprogramm, bat ich Streubel einen interessanten
Entwurf zu gestalten. Nachfolgendes Titelblatt übergab er mir:
Als ich dies zum Bezirk bringen ließ zur Genehmigung rief mich mein
Vorgesetzter an, ob ich verrückt sei so ein Programm vorzulegen,
ich solle zu ihm kommen. Wenn der "Dienstherr" ruft, ist man
in der Pflicht.
Ihm gegenüber sitzend sagte er: "Das ist der Arbeiterklasse
nicht zuzumuten, ein so Menschen-verzerrendes Bild zu veröffentlichen.
Es sei dekadent und würde das Menschenbild entstellen. Ich sagte
nur: "In der modernen Kunst ist das alltäglich, nur ihr könnt
es nicht verstehen, mit eurem abgedroschenen "Realismusverständnis."
Er genehmigte es nicht, was er natürlich vorher mit der Partei abgesprochen
hatte. Darauf hin ließ ich nur ein einfaches Titelblatt drucken,
aber heimlich für mich hundert Exemplare des Originals.
In einem Programmheft ließ ich eine Grafik von Streubel anfertigen:
"Frieden für Vietnam", diese verursachte die gleiche Wirkung,
dass das "Menschenbild" verzerrt sei.
Prager und tschechische Freunde
Mit dem 19. August waren plötzlich alle Verbindungen abrupt abgebrochen.
Die tschechischen Freunde durften keine Post aus der DDR empfangen und
unsere Post wurde nicht angenommen.
Befreundet war ich mit dem 2. Minister für Kultur Jan Zdenek Bartos,
mit dem Vorsitzenden des Komponistenverbandes Joseph Palenicek, hervorragender
Pianist, mit meinem besten Komponistenfreund Stepan Lucky, Buchenwaldhäftling,
er hat den Todesmarsch nach Worbis überlebt. Er komponierte in Erinnerung
an Buchenwald ein wunderschönes Violinkonzert. Dieses Violinkonzert
führten wir in Suhl mit der weltberühmten Geigerin Nora Grumlikova
auf, mit der ich ebenfalls eng befreundet war. Sie gastierte sehr viel
in Suhl.
Ihr Mann, einer der erfolgreichsten Regisseure des Filmstudios Barrandov,
ebenfalls ein sehr guter und treuer Freund.
Viele könnte ich noch nennen, Dirigenten, Solisten, die zum größten
Teil in Suhl gastierten. Mit Hilfe der Prager Freunde wollte ich 1969
in Suhl eine Europäische Begegnungsstätte für Künstler
und junge Menschen aus der ganzen Welt aufbauen!
Durch meine Tätigkeit als Dirigent bei der Dresdner Philharmonie
von 1958 – 1962 hatte ich internationale Verbindungen von Japan
bis Amerika, die ich dazu benützen wollte!
In den Ostblockstaaten dirigierte ich jährlich mehrmals, wenn es
mein Dienst als Chefdirigent der Suhler Philharmonie ermöglichte.
Durch alle diese privaten Verbindungen waren wir das einzige Orchester
unserer Klassifizierung (B-Orchester) welches ins östliche Ausland
fuhr!
Da ich kein Auslandskader war, konnte ich meine Beziehungen in die westlichen
Länder nicht weiter ausbauen. Nur einmal ließ man mich nach
Finnland reisen, dies hatte besondere Gründe. Meine Verbindung nach
Finnland entstand durch einen Konzertabend mit finnischer Musik. Wenn
das Ministerium diese Reise nicht zugelassen hätte, wären diplomatische
Probleme aufgetreten.
In Thüringen kannten mich alle Fachleute, da ich in einigen Städten
gastierte. Erst mit meinem Ausscheiden 1980 aus der Philharmonie endete
meine Dirigentenlaufbahn. Mit Hilfe der Stasi bin ich sozusagen "gegangen"
worden. Da man befürchtete, dass ich die Ausreise beantrage, fand
man einen Modus zum Überleben: Erkrankung, Berufsunfähigkeit!
5. Sinfonie (komponiert ab 1973 - 1974 / UA 1978)
Der plötzliche Zusammenbruch eines Reformsystems, eines das für
die Welt von einschneidender Bedeutung war. Der abrupte Abbruch der freundschaftlichen
Beziehungen entfachten in mir eine so große Enttäuschung, verbunden
mit Wut und Zorn, dass ich dies in die Welt hinausschreien musste.
Die Vorstellung wie sich die Welt verändern könnte, natürlich
nicht sofort, sondern mit langzeitlichen Folgen und sicherlich sehr schwierigen
Auseinandersetzungen, ist kaum nachzuvollziehen.
Symbolisch gedeutet stellt der gewaltige Ausbruch des Anfangs der Sinfonie
diesen Zusammenbruch dar. Das darauf folgende Thema, das in der Folge
motivisch verarbeitet wird und immer wieder den Tenor der Sinfonie ergibt,
verbindet Sehnsucht und Schmerz.
Die Sinfonie ist – bis auf wenige Stellen - dodekaphonisch komponiert.
Der nicht zu fassende Schmerz, dass die sogenannten "Bruderländer"
ein Blutbad mit Gewalt und tödlichem Ausgang in Prag anrichten, geht
über jede Vorstellungskraft hinaus.
So gesehen, stellt die Sinfonie eine mehrfache Konstellation eines Eindruckes
dar, welche das Persönliche und das Geschehene widerspiegelt.
Für mich persönlich war das ein Zeitpunkt, wo ich – wie
bereits gesagt – mit meiner Frau besprach, ob wir die Ausreise beantragen.
Ich dachte persönlich darüber nach aus der Partei auszutreten.
Aber – und nun kommt das große ABER von Hunderttausenden Mitbürgern
in der DDR, was passiert dann auf der persönlichen Ebene?
Erstmals 1968 eine neue, moderne, restaurierte Wohnung zu haben (unsere
DDR-Bürger - auch ausländische Gäste - sprachen sogar von
einer "Filmwohnung"), eine Chefposition mit aller Verantwortung
für den gesamten Kunstbetrieb, die Entwicklung zu einer Philharmonie,
das alles aufs Spiel zu setzen, wäre eine große persönliche
Verantwortung gegenüber meiner Familie gewesen. Mit meiner Souveränität
auf künstlerischem Gebiet, quasi eine gewisse Freiheit zu besitzen,
überlegt man sich sehr wohl was man tut.
Hinzu kam, dass ich mit meiner Erfahrung, mit meinen Kenntnissen und Beziehungen
von der Dresdner Philharmonie her, in Suhl eine Philharmonie entwickeln
wollte, die es in dieser Form (bei Gehaltsklasse B) in keinem anderen
Ort gab.
Das wichtigste aber waren unsere drei Söhne! Der jüngste 4 Jahre
alt, sie alle verlassen zu müssen – nicht ausdenkbar.
Alles zusammen genommen bewegt einen das beim Komponieren. Die gesamte
Gefühlswelt kommt zum Durchbruch und bestimmt den Modus eines Werkes.
Wie eine Sinfonie ausgeht, weiß man ohnehin nicht. Feststellen kann
ich nur, dass die meisten Kompositionen von mir sehr verhalten im Pianissimo
enden.
Ein sinfonisches Werk ist außer hoher Konzentrationsarbeit, eine
mühselige handgeschriebene Quälerei. Die besten Gedanken gehen
beim Schreiben verloren weil man sich auf Kleinigkeiten, wie Instrumentation,
Klangvorstellung, Stimmführung usw. einlassen muss. D.h., die handwerkliche
Arbeit nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, so dass die vorauseilende Gedanken-
und Gefühlswelt oft vernachlässigt oder verschlungen wird.
Über diese Thematik, genauso wie über das Dirigieren, ist bis
jetzt meines Wissens noch nichts Authentisches geschrieben worden.
Die Betrachtung, bzw. die Aufnahme eines Kunstwerkes liegt immer bei dem
der es vor sich sieht oder hört. Eine erklärende Einflussnahme
kann töricht sein. Kunst sollte Lebenselixier sein für alle,
man kann junge, auch ältere, dazu hinführen, der Drang oder
das Bedürfnis liegt beim Menschen selber.
SED – "Die Partei, die Partei….."
Mit der zunehmenden Erkenntnis was die SED erreichen wollte, oder besser
gesagt, wie sie ihr Volk beherrschen wollte, stellte ich auf der künstlerischen
Ebene nunmehr mein politisches Credo dar.
Die 9. Sinfonie (unvollendet 32 Takte) begann ich am 24.12.1988 zu komponieren.
Im Frühjahr 1989 wollte ich sie weiter schreiben, allein die aufkommende,
innere Unruhe ließ mich davon Abstand nehmen.
Mein politisches Credo! S E D - S S - S A
(Ton Es phonetisch für S)
Das Motiv darf nicht falsch verstanden werden. Es richtet sich gegen jede
Form von Diktatur und Gewaltherrschaft.
Im Juni, zu den Berliner Zeitgenössischen Musiktagen sollte meine
8. Sinfonie aufgeführt werden, die vorher im Mai unter Prof. Olaf
Koch, mit der Halleschen Philharmonie uraufgeführt wurde. In dieser
Sinfonie verarbeitete ich im 2. Satz ein Gedicht von Arthur Rimbaud. Freunde
hatten mir dieses "Gedichtbändchen" geschenkt.
Ich fand ein Gedicht in "Les Illuminations": "Morgen der
Trunkenheit". Dieses Gedicht befasst sich inhaltlich mit den Assassinen.
Dazu muss man die Geschichte von "Der Alte vom Berge" kennen.
Am Schluss heißt es: "Das ist die Stunde der Assassinen".
Der heutige Thomaner-Chor-Leiter Biller, sang als Bariton diesen Text.
Weder die Musikkritiker, noch die Kulturparteifunktionäre, konnten
mit dieser Sinfonie und dem Text etwas anfangen oder politisches dahinter
vermuten. Den letzten Satz im Gedicht ließ ich dreimal vom Bariton
singen, in einer musikalisch absteigenden Tonfolge. Tage vor der Aufführung
machte der Dramaturg der Philharmonie Prof. Koch auf den politischen Gehalt
des Gedichtes aufmerksam, doch es war zu spät. Koch sagte nur, jetzt
steht sie im Programm, jetzt spielen wir sie auch, egal was sich der Geißler
dabei gedacht hat.
Im Komponistenverband war ich der Einzige, der gegen die Aufnahme von
Herbert Roth in den Verband stimmte (Argument: Liedermacher von der Qualität
gehören nicht in den Komponistenverband). In Suhl hat man mir das
besonders übel genommen! Daraufhin entstand im Verband die sog. E-Musik
und U-Musik, d.h. mit der Unterscheidung konnte jeder der irgend eine
seichte, oder schlagerartige Musik schrieb in den Verband aufgenommen
werden.
Man wollte mir die Aufführung von Ernest Bloch (Schweizer Komponist)
Jüdische Rhapsodie "Schelomo" verbieten, mit dem Argument:
"muss ich unbedingt jüdische Musik in den Konzertplan aufnehmen?"
Mein Argument: Das ist Weltliteratur!
Dazu muss ich sagen, dass ich durch einen Abend mit Finnischer Musik einen
der weltbesten Cellisten kennen lernte, der im ersten Konzert Dvoraks
Cellokonzert spielte.
Einmalig! Wir wurden Freunde.
Er organisierte eine Verbindung zum finnischen Komponistenverband und
einigen Dirigenten. Das war die einzige Möglichkeit für mich,
ins westliche Ausland fahren zu dürfen. Als Genosse war ich ansonsten
dafür kein Auslandskader?!
Erkki Rautio (sein Name) fuhr danach sogar als Solist mit uns ins östliche
Ausland.
Im Konzertplan setzte ich von Richard Strauss die Sinfonische Dichtung
"Also sprach Zarathustra" an. Zitat SED: "Muss ich unbedingt
Nietzsche in die Öffentlichkeit bringen?" Daraufhin schickte
ich der SED-Bezirksleitung den Text, der in der Partitur voran steht,
mit dem Hinweis: Sie sollten sich den mal genau durchlesen!
Auf unserer Konzerttournee in Polen (Szczecin und Bialystok) waren die
polnischen Freunde begeistert, dass wir dieses Werk von Richard Strauss
spielen. Sie sagten mir, dass sie es in Polen noch nie gehört hätten!
Der Höhepunkt politischer Kontroversen dann: "Ein Abend amerikanischer
Musik"! Mit unserer Freundin aus Prag Nora Grumlikowa (Violine) spielten
wir das Violinkonzert von Williams, eine Sinfonie von Schumann (Amerikaner)
und Gershwin. Auch hier das Argument: "Muss Du ausgerechnet amerikanische
Musik spielen?"
Als ich von Finnland zurückkam hatte man gerade Biermann "ausgesiedelt".
Ich sollte dazu Stellung nehmen. Biermann kannte ich überhaupt nicht,
wusste nicht wer er war. Sinngemäß schrieb ich, dass ich mit
"Bänkelsängern" nichts zu tun habe. Als letztes: "Aus
dem Unterstand schießt man nicht!" Keine Veröffentlichung.
Mit einer Privatkunstausstellung für meinen Malerfreund Kurt-W. Streubel,
im Mai 1976, in unserer Wohnung nahm alles seinen vorgegebenen Lauf. Die
Stasi wollte mich unbedingt aus meiner Funktion lösen. Nachstehendes
muss man im Zusammenhang der gesamten politischen Bewertung meiner Person
sehen.
Eine Türkische Pianistin, die bei uns gastierte, bat ich - wir diskutierten
während ihres Aufenthaltes viel über Religion – mir die
"Kabbala" zu besorgen. Sie meinte, dass sie in Istanbul dieses
Buch (Jüdische Bibel) in einer Buchhandlung gesehen hätte. Dann
kam ein Brief, es wäre nicht mehr vorhanden! Stasi-Brief -Öffner
lasen diesen und meinten G. bestellt sich pornographische Literatur "
K a b a l a" !!! Abgesehen davon, dass es falsch geschrieben war,
wussten sie nicht, dass es sich um ein religiöses Werk handelt.
Der Höhepunkt: meine Stellvertretende Betriebsleiterin Frau Dr. phil.
Renate Müller, alias "IM Journal" bekam den Auftrag der
Stasi, dass man mich durch persönlichen Kontakt beobachtet, was 1980
dazu führte, dass man mich aus meiner Funktion als Chefdirigent,
in der ich seit 1965 im Bezirk tätig war, mit sehr findigen Mitteln
"hinausbeförderte".
Eine Folge davon: Staat und Partei befürchteten, dass ich einen Ausreiseantrag
stelle!
Nachstehendes Dokument der beste Beweis:
Ein totaler Unsinn den hier die Stasi behauptet. Wahrscheinlich kannten
sie Georges Orwell "1984" nicht, ein Buch gegen Diktatur und
Überwachungsstaat, das man allen zum Lesen nur empfehlen kann. 1948
geschrieben konnte ich es zum ersten Mal 1950 in Speyer/Rh. lesen und
fand darin nach der Nazizeit die Bestätigung meines zukünftigen
politischen Denkens und Handelns, das ich auch nie aufgegeben habe.
Das folgende beweist, wie ein Staat mit Menschen umgeht die man einfach
loswerden will.
Selber Genosse zu sein begreift man diesen ausgemachten Unsinn überhaupt
nicht. Ist es typisch deutsch zu denunzieren, zu zersetzen, den Menschen
bewusst kaputt zu machen um einer Ideologie willen, die sich in der Form
niemals durchsetzen lässt. Die genau genommen das Gegenteil erreicht
dessen, was die Vordenker geschrieben, gesagt und gedacht haben und das
waren nicht nur deutsche Denker, dazu gehören die französischen
Vorsozialisten und viele andere in der gesamten Welt.
Ich glaube, dass all das widerspiegelt, was einem in einem totalitären
Staat widerfahren kann. In einem Staat, wo jeder zum Mittäter, zum
Mitmacher gehört, gleich ob er will oder nicht. Dagegen angehen ist
immer wieder die Herausforderung, Rückgrat zu besitzen, Selbstbewusstsein
zu entwickeln und den Mut zu haben, das zu sagen was man denkt!
Deshalb war ich sehr angetan als zur Zeit des politischen Umschwungs das
NEUE FORUM entstand und ich die Hoffnung, dass eine Zeit mit dem Aufbau
einer neuen Demokratie anbricht. Dass dies bis jetzt noch nicht gelungen
ist, davon zu sprechen würde ein neues umfassendes Kapitel erfordern.
Die DDR existiert nicht mehr! Der "Vogelkäfig" öffnete
sich, nunmehr heißt es mit der neugewonnenen Freiheit verantwortungsvoll
umzugehen.
Nachwort
Zu meiner Person:
Mensch sein mit Verantwortung für sich selbst und für
andere.
Thüringer Landesverfassung Art. 1: "Die Würde des Menschen
ist unantastbar."
In der Thüringern Verfassung konnte ich durchsetzen, dass hinzu gefügt
wird:
"Sie auch im Sterben zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung
aller staatlichen Gewalt."
Beruf und Politik:
Dirigent, Komponist.
Atheist, Humanist, Kommunist, Anarchist, Europäer, Weltbürger.
Durch Zufall 1989 Politiker, der einen demokratischen Wandel mitgestalten
wollte.
Begründer des Bürgerkomitees des Landes Thüringen e.V.
am 30.09.1989.
Mitbegründer des NEUEN FORUM des Bezirkes Suhl.
Berufener Bürger am Runden Tisch Suhl.
Berufener Bürger des Sonderausschusses der ersten Volkskammer (Gauckausschuss)
Sonderbeauftragter für den Bezirk Suhl mit Verantwortung für
die Auflösung der Stasi.
Enttarnung der OIBE, HIM, UM im Bezirk Suhl.
1. Alterspräsident des Thüringer Landtages, der die Konstituierende
Sitzung im Deutschen Nationaltheater Weimar leitete und die Eröffnungsrede
hielt.
Landtagsabgeordneter des NEUEN FORUM. Stimmberechtigter Abgeordneter im
Verfassungsausschuss, im Justiz- und Innenausschuss, im Gleichstellungsausschuss
und in Gremien von Untersuchungsausschüssen.
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